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Kulturen des Dialogs
Ob der Dialog der Kulturen, der Wissenschaften, der Religionen oder der Nationen — an jeder Grenzstelle wird der Dialog gefordert und als der Schlüssel zur erfolgreichen Kommunikation gehandelt. Die fast formelhafte Forderung legt nahe, dass es sich beim Dialog um ein nach festen Regeln ablaufendes Verfahren handelt, das zielgerichtet und beinahe effizient handfeste Ergebnissen liefert, wenn es nicht den Konsens schon vorneherein als Endprodukt stillschweigend voraussetzt. Nur selten entkommt solch ein festgesetzter Dialog der Erwartungshaltung an ihn und wird zu dem wirklich offenen, kreativen und auch fragilen Gebilde, das sich stetig verändern oder auch abrupt abbrechen kann. Letztendlich lässt sich der Dialog nicht auf eine bestimmte Form festlegen und es gibt keine Gewähr dafür, dass nicht einer der Dialogpartner schweigt oder geht.
Beispiele in der Literatur zeigen die Komplexität und Vielfalt von Dialogen, die von der Dialogverweigerung und Frontenverhärtung über scheinbar monologische Versatzstücke bis hin zu Irritation und Aufgabe einer vorgefaßten Meinung reichen. Der Grad der gegenseitigen Durchdringung und der wechselseitigen Impulsgebung zwischen den Dialogteilnehmern gibt einen Anhaltspunkt dafür, inwieweit im Zwischenraum ein neuer Entwurf des jeweils anderen entsteht, der auf das eigene Bild zurückwirkt, ohne ihm die Selbstständigkeit zu nehmen. Für den literarischen Dialog gilt jedoch anders als beim realen Zusammentreffen, dass sich auf der übergeordneten Ebene des Gesamttextes eine Verbundenheit der Positionen herausbildet, die, unabhängig von der wechselseitigen Beeinflussung der Figuren, zu einem neuen Bewusstsein führt.
Wenn der unablässig verlangte Dialog der Kulturen tatsächlich zu neuen Einsichten in die fremde Kultur führen soll, an denen sich das Selbstverständnis relativiert, ist zunächst eine differenzierte Betrachtung unterschiedlicher Kulturen des Dialogs notwendig. Dazu gehört insbesondere die Auseinandersetzung mit der Sprache, die immer in einem Wechselverhältnis zu ihren Inhalten steht und nicht unabhängig von ihnen gedacht werden kann. So können die dem Begriff des Dialogs funktionalen Entsprechungen in den außereuropäischen Kulturen Aufschluss geben über die unterschiedlichen Realisierungen des Dialogs. Das erste im Rahmen des Projekts „Wertewelten“ geplante Kolloquium stellt deshalb den Dialog und seine sprachlichen Formen als notwendiges Werkzeug für die Verständigung über kulturell geprägte Wertesysteme ins Zentrum.
Programm
Mittwoch, 19. November 2008
bis Abends Anreise
20:00
Auftaktveranstaltung
Herta Müller (Berlin)
Gelber Mais und keine Zeit.
Universität Tübingen, Kupferbau, Hörsaal 2522:00
Abendessen
Donnerstag, 20. November 2008
10:00
Impulsreferate und Diskussion mit dem Schwerpunkt: Individuum und Sprecher — Vertrautheit und Konvention.
Mittagspause
14:00
Fortsetzung der Gespräche mit dem Schwerpunkt: Kritik, Streit und Ideenkonfrontation.
20:00
Öffentliche Präsentationen verschiedener Dialoge: „Von der Kunst, miteinander zu reden.“
Zimmertheater Tübingen22:00
Abendessen
Freitag, 21. November 2008
10:00
Impulsreferate und Diskussion mit dem Schwerpunkt: Sprache, Körper und Emotionen.
Mittagspause
14:00
Fortsetzung der Diskussion mit dem Schwerpunkt: Gedankenaustausch, Lösungswege, dritte Wege.
19:00
Abschlussgespräch
Dialog-Kulturen
anschliessend AbendessenSamstag, 22. November 2008
10:00
Ausklang mit Exkursion