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Yeon-Soo Kim
Grenzüberschreitungen auf der koreanischen Halbinsel und eine Grenze im Kopf.
In Korea hat man über lange Zeiträume hinweg die Vorstellung gepflegt, eine ethnisch homogene Gesellschaft zu sein. Und dementsprechend hat man Fremden und Fremdem gegenüber eine gewisse Abwehrhaltung eingenommen, so dass sich in den Köpfen der Menschen eine feste Grenze zwischen dem Wir und den anderen ausgebildet hat. Diese Selbst-Identität der koreanischen Gesellschaft ist nun durch die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte ins Wanken geraten, und die Umbrüche durch die Globalisierung der Wirtschaft und durch den Zustrom von Ausländern, darunter Mitarbeiter ausländischer Unternehmen, Gastarbeiter und Bräute für koreanische Männer auf dem Lande sowie Lehrende und Studierende, sind so groß und so sichtbar, dass die Entwicklung hin zu einer multikulturellen Gesellschaft zu einem viel diskutierten heißen Eisen geworden ist.
Eine Besonderheit der koreanischen Situation liegt noch darin, dass auf dem Umweg über China oder andere Drittländer in den letzten Jahren vermehrt Flüchtlinge aus dem kommunistischen Nordkorea in das demokratische und kapitalistische Südkorea gekommen sind. Einer Statistik von 2010 zufolge sind inzwischen 20 000 Flüchtlinge in den Süden gekommen. Sie sind zwar Koreaner wie wir im Süden, aber die Unterschiede in den Denkmustern und Verhaltensweisen sind durch die Teilung des Landes und den fortdauernden kalten Krieg auf der koreanischen Halbinsel so groß geworden, dass es gravierende Probleme bei der Integration und Akzeptanz gibt.
In meinem Beitrag will ich von den Diskussionen in Süd-Korea über die Immigranten und über die Flüchtlinge aus Nordkorea berichten. Zunächst werde ich die allgemeinen Probleme bei der Integration der Fremden anhand einiger Erzählungen wie Kim Jae Youngs Elefant oder Kim Ryu Ryungs Wandegie behandeln und mich dann anhand einiger Erzählungen wie Jeong Do Sangs Wildrose, Kim Won Ils Catakombe und Jeon Sung Taes Grenzüberschreitung mit den Flüchtlingen aus Nordkorea befassen. Dabei werde ich nicht nur die Integrationsprobleme der Grenzüberschreitenden beschreiben, sondern auch die Grenze, die in unseren Köpfen noch nicht wirklich beseitigt worden ist.